Nebennierenkarzinom
Das Nebennnierenkarzinom ist eine bösartige Entartung der Nebennierenrinde. Da die Erkrankung äußerst selten ist, gibt es nur wenige Kliniken, die auf die Behandlung spezialisiert sind. Die Endokrinologie des Universitätsklinikums Würzburg hat sich in Diagnostik, Therapie und Forschung zu einem der bedeutendsten Zentren Europas für diese Erkrankung entwickelt.
Was ist das Nebennierenkarzinom?
Die bösartige Entartung einer der Hormondrüsen, die paarig jeweils als kleine Kappen der Niere aufsitzen, wird als Nebennierenkarzinom bezeichnet. Der sehr seltene Tumor wird oft erst in fortgeschrittenem Stadium entdeckt, da er anfänglich keine Symptome bereitet. Obwohl er in 80 Prozent der Fälle hormonaktiv ist, also Hormone, vor allem das Stresshormon Kortisol sowie männliche Hormonvorstufen, ausschüttet, leiden nur etwa 60 Prozent der Betroffenen an Hormonstörungen und suchen deshalb ärztliche Hilfe auf. Im Vordergrund steht meist das Cushing-Syndrom oder ein gesteigerter Haarwuchs. In Deutschland erkranken pro Jahr etwa 100 bis 200 Menschen meist im mittleren Lebensalter am Nebennierenkarzinom.
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Diagnostik
Wichtig ist eine ausführliche hormonelle Diagnostik, welche die Bestimmung von Kortisol, Mineralkortikoiden und Sexualhormonen in Blut und Sammelurin vorsieht. Bildgebende Verfahren wie eine Computertomographie (CT) mit Kontrastmittel, eine Magnetresonanz-Tomographie (MRT) oder eine Positronen-Emission-Tomographie (PET) bestimmen Größe und Ausdehnung. In äußerst seltenen Fällen wird auch eine Feinnadelbiopsie vorgenommen.
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Operation
Im Vordergrund steht immer die vollständige operative Entfernung des Tumors. Dieser Eingriff sollte in einem spezialisierten Zentrum mit großer Erfahrung durchgeführt werden. In Kooperation mit der Urologie, die diese Operation auch robotergestützt und als minimal-invasiven Eingriff durchführt, ist diese Voraussetzung am Universitätsklinikum Würzburg gegeben und eine optimale Rundumversorgung unter einem Dach gewährleistet.
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Medikamentöse Therapie
In Abhängigkeit vom Befund folgt im Anschluss oft eine Bestrahlung, eine Chemotherapie oder die Behandlung mit dem Medikament Mitotane, um einer Krebsneubildung vorzubeugen. Die standardisierte Chemotherapie im Haus besteht aus der Kombination der Wirkstoffe Etoposid, Doxorubicin, Cisplatin und Mitotane, da dies die effizienteste Wirkung erzielt, wie aus einer Vergleichsstudie der Endokrinologie Würzburg hervorgeht.
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Nachsorge und Betreuung
Etwa zehn Jahre lang werden in anfänglich engmaschigen Abständen von etwa drei Monaten Kontrolluntersuchungen durchgeführt, die eine Bestimmung des Hormonstatus sowie ein bildgebendes Verfahren vorsehen. Da das Universitätsklinikum Würzburg ein Zentrum für Nebennierenkarzinome ist, empfiehlt sich auch die Teilnahme an klinischen Studien, die eine noch intensivere Beobachtung und Betreuung versprechen.
Tumoren der Nebenniere im Kindesalter
Im Kindes- und Jugendalter können unterschiedliche Tumoren in der Nebenniere auftreten: am häufigsten ist das Neuroblastom, das ebenso wie das Phäochromozytom vom Nebennierenmark ausgeht. Von der Rinde ausgehend sind sowohl Adenome als auch Karzinome. Selten ist auch im Kindesalter das Auftreten von Fernmetastasen (das heißt Absiedlungen in andere Organe) anderer Tumoren in der Nebenniere beschrieben. Wichtig ist bei dem Verdacht auf einen Tumor der Nebenniere die Frage zu klären, ob er gut- oder bösartig ist, ob er hormonproduzierend ist und ob ein sogenanntes (familiäres) Krebsprädispositionssyndrom (familiär vererbte Neigung zu bestimmten Krebserkrankungen, z.B. Li-Fraumeni-Syndrom) dahinterstecken könnte. Das ist wichtig, um die weiteren Therapieschritte zu planen. Im Folgenden wird über den häufigsten hormonaktiven Tumor der Nebennierenrinde, dem sogenannten adrenokortikalen Karzinom (ACC), genauer berichtet.
Adrenokortikale Karzinome (auch Nebennierenkarzinom genannt) sind von der Nebennierenrinde ausgehende, hochmaligne (sehr aggressive) Tumore. Sowohl im Erwachsenen als auch im Kindesalter ist die Tumorentität (Tumorart) selten. Etwa 8-10 Kinder erkranken pro Jahr in Deutschland an diesem Tumor. Im Gegensatz zu erwachsenen Patienten sind nahezu alle pädiatrischen ACCs hormonaktiv und präsentieren sich klinisch in Form von Virilisierung (durch männliche Geschlechtshormone hervorgerufene Behaarung/ Veränderung der Geschlechtsorgane, fehlende Periodenblutung), Cushing-Syndrom oder einer Pubertas praecox (verfrühte Pubertät). Erkrankungen treten mit Peaks (gehäuftes Auftreten) im Kleinkindesalter und postpubertär (etwa 30%) auf.
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Diagnostik
Wichtig ist eine ausführliche hormonelle Diagnostik, welche die Bestimmung von Kortisol, Mineralkortikoiden und Sexualhormonen in Blut und (Sammel-)Urin vorsieht. Bildgebende Verfahren wie eine Magnetresonanz-Tomographie (MRT) oder eine Positronen-Emission-Tomographie (PET) bestimmen Größe und Ausdehnung.
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Therapie
Therapeutisch ist die chirurgische Resektion des Tumors die elementare, kurative Säule. Im fortgeschrittenen Stadium erfolgt zusätzlich eine systemische Chemo- und Mitotanetherapie. Die Prognose der fortgeschrittenen Tumore ist mit einem 5 Jahres-Überleben von unter 40% schlecht. Einzig im Kleinkindesalter scheint die Prognose günstiger mit einem Gesamtüberleben der unter 4-Jährigen von ca. 80%. Eine effektive, etablierte Therapie für fortgeschrittene und metastasierte (high risk) ACCs existiert bisher nicht, daher ist es wichtig neuste Erkenntnisse in die Therapieplanung miteinzubeziehen und die Therapie an die individuellen Risikofaktoren anzupassen.
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Nachsorge und Betreuung
Etwa zehn Jahre lang werden in anfänglich engmaschigen Abständen von etwa drei Monaten Kontrolluntersuchungen durchgeführt, die eine Bestimmung des Hormonstatus sowie ein bildgebendes Verfahren vorsehen.
Da das Universitätsklinikum Würzburg ein Zentrum für Nebennierenkarzinome ist, empfiehlt sich auch die Teilnahme an klinischen Studien, die eine noch intensivere Beobachtung und Betreuung versprechen.
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Forschung und Therapieoptimierung
Bisherige Forschung um pädiatrische ACCs hinsichtlich klinischer Diagnostik, Histopathologie und Therapie ist rar. Die wenigen publizierten Vergleiche zwischen pädiatrischen und adulten (im Erwachsenenalter auftretenden) ACCs deuten auf signifikante Unterschiede hin, hierdurch können im Erwachsenenbereich gewonnene Erkenntnisse nicht unkritisch auf pädiatrische ACCs übertragen werden können. So haben die in der Erwachsenenmedizin angewandten Scores (z.B. Weiss-Score) bei pädiatrische ACCs nur geringe prognostische Aussagekraft. Auch molekulare Marker wie Ki67, SF1 und TP53-Mutationen (genetische Veränderungen im Tumorgewebe), welche bei adulten ACCs prognostisch sind, sind für pädiatrische Patienten unzureichend erforscht und widersprüchlich berichtet. Molekulare Studien bei pädiatrischen ACCs haben Mutationen in den Genen TP53, CTNNB1, ZNRF3 sowie eine Überexpression (vermehrte Produktion) der Proteine des IGF-Systems nachweisen. Es wird davon ausgegangen, dass dies Schlüsselfaktoren für die Tumorentstehung und –progressiv sind.
Da ein Therapiefortschritt bei solchen seltenen Erkrankungen nur erzielt werden kann, wenn enge internationale Vernetzungen aller Experten bestehen, sind Initiativen wie die EXPERT-Gruppe (europäisches Netzwerk für seltene Tumorerkrankungen) oder ENSAT-PACT (pädiatrische Arbeitsgruppe des internationalen Nebennierennetzwerkes) essentiell.
Risiko- Bestimmung
Im Rahmen dieser Arbeiten konnte unsere Gruppe zeigen, dass es verschiedene Faktoren gibt (u.a. Alter >4, Metastasen, hohes Tumorstadium, keine R0-Resektion, (= komplette Entfernung des Tumors) nicht-alleinige androgen-Produktion), die mit einer schlechten Prognose assoziiert sind. Anhand dieser Prognose-Kriterien war es in Anlehnung an den adulten S-GRAS-Score, der es einem ermöglicht relativ früh nach Diagnosestellung eine Risikostratifizierung (eine Einteilung der Risikogruppen hinsichtlich des tumorfreien Überlebens) vorzunehmen, möglich, einen neuen prognostischen Score für pädiatrische Patienten abzuleiten. Dieser wird derzeit prospektiv evaluiert und könnte eine mögliche Grundlage für zukünftige Therapiestudien darstellen.
Tumormarker-Bestimmung und Optimierung
Dringlichen Optimierungsbedarf gibt es bei Diagnostik und Verlaufsmessungen von Tumormarkern. Da die meisten kindlichen ACCs hormonaktive Tumore sind, ist der Nachweis von Steroiden im Urin ein idealer Tumormarker. Der Steroidnachweis ist bislang jedoch nur im 24h-Sammelurin etabliert, was im Kleinkindesalter schwierig und oftmals nicht praktikabel ist. Essentiell ist somit die Etablierung gleichwertiger, laborchemischer Alternativen für pädiatrische Patienten. In Vorarbeiten im Erwachsenenalter konnte gezeigt werden, dass der Nachweis von Steroiden im Serum bzw. im ersten Morgenurin eine Alternative mit ähnlicher Sensitivität darstellt. Zudem scheint eine präoperative Diskriminierung zwischen adrenokortikalen Adenomen (=gutartige Tumore) und Karzinomen (=bösartige Tumore) durch bestimmte Konstellationen mit hoher Sensitivität möglich, was die weitere therapeutische Planung bereits vor der chirurgischen Entfernung des Tumors vereinfacht. Eine mögliche Alternative bzw. Zusatzdiagnostik stellen sogenannte liquid biopsies da, die ebenfalls intensiv derzeit beforscht werden. Die Hoffnung ist, dass den jungen Patienten damit zeitnah eine vereinfachte und verbesserte Diagnostik zu Verfügung steht.
Optimierung der Mitotanetherapie
Neben der Spiegelbestimmung kommt der Bestimmung der wirksamen Anteile von Mitotane eine wichtige Bedeutung zu. Derzeit untersuchen wir zusammen mit einer internationalen Arbeitsgruppe, ob der Mitotanespiegel dies gut widerspiegelt oder ob man die Mitotanetherapie durch eine differenziertere Bestimmung der aktiven Untereinheiten effektiver gestalten kann.
Optimale Operationsbedingungen
Bezüglich der therapeutischen Optionen fällt auf, dass die Lokalrezidivrate (Wiederauftreten des Tumors an der ursprünglichen Stelle) im Kindesalter sehr hoch ist, knapp 80% aller Rezidive sind Lokalrezidive. Damit scheint die Optimierung der Lokaltherapie von hoher Bedeutung zu sein. Eine retrospektive Auswertung von Abrechnungsdaten konnte zeigen, dass über einen Zeitraum von 8 Jahren in Deutschland gut 500 pädiatrische Patienten in 109 Krankenhäuser an den Nebennieren operiert wurden. Dabei zeigte sich, dass die meisten Krankenhäuser nicht mal 1 pädiatrischen Patienten mit Nebennierentumor in 5 Jahren operieren. Mit Blick auf die von den internationalen Fachgesellschaften empfohlenen operativen Mindestzahlen, sollten wir diese Expertise auch für unsere pädiatrischen Patienten im Sinne weniger spezialisierter Zentren fordern, um die optimale lokale Therapie zu gewährleisten.
Stellenwert der Bestrahlung
Eine weitere Säule der Lokaltherapie stellt die Bestrahlung dar. Hier gibt es nur wenige pädiatrische Daten, da eine große Zurückhaltung auch gerade in Hinblick auf Krebsprädispositionssyndrome besteht. Dennoch scheint die Strahlentherapie im Einzelfall die lokale Tumorkontrolle in ACC Patienten zu verbessern und sollte daher in kritischer Nutzen-Risikoabschätzung in Hochrisiko-Situationen patientenindividuell erwogen werden.
Neue therapeutische Ansätze
Neben der klassischen Chemotherapie und Mitotanetherapie erhoffen wir uns durch ein verbessertes molekularbiologisches Verständnis dieser Tumoren neue druggable Targets (spezifisch wirkende Medikamente, z. B. Immuntherapien) zu identifizieren, die langfristig präzise und zielgerichtete Therapieoptionen ermöglichen und die Prognose dieser Patienten verbessern.
Die Behandlung sowie die Studien werden in Zusammenarbeit mit der Kinderklinik in Würzburg durchgeführt.
Weitere Informationen
Umfassendere Informationen über unsere Arbeit erhalten Sie in unserem Film zum Nebennierenkarzinom. Darüber hinaus bietet die Selbsthilfegruppe für Betroffene von Nebennierenkarzinomen weitere Informationen sowie die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch.